Älpler

Quelle: 0STDEUTSCHE FAMILIENKUNDE – Heft 1/1978

Älpler im Aupatal

von Gustav E r l b e c k

Die Chronik von Trautenau [1] erwähnt 1565 – 1596 wiederholt die "Schwazer" oder "Schwozer", die in den Riesengebirgswäldern Holz einschlugen und sog. Klausen bauten, in denen Wasser angestaut wurde, das nach Öffnung der Sperre in "Holzriesen" und im Flußbett gelagerte Stämme talauswärts schwemmte.

Von diesem Namen mag die gelegentlich vertretene Meinung herrühren, daß zur Besiedlung des inneren Riesengebirges neben anderen Zuwanderern auch solche aus der Schweiz beteiligt gewesen seien[2]. Die Matriken des zuerst zuständigen Pfarramtes Marschendorf 3, später der Pfarrämter Groß- und Kleinaupa, erbringen eine Menge echt bajuwarischer Familiennamen, die in den österreichischen Alpenländern, besonders in Tirol, im Salzburgischen und Steyerischen, beheimatet sind, so z. B. Hofer, Wimmer, Pradler, Taler, Buchberger, Mitlöhner, Brunnecker, Zinnecker, Trübenecker, Kirchschlager, Ringschwender, Salwender u.ä. Ganz deutlich sagt es eine Eintragung zum Jahr 1662 in der Marschendorfer Pfarrchronik[3]: "Den 28. Oktober ward begraben Wolfgang Wimmer von großer Aupa, der letzte ausländisch geborene Holzknecht aus Stewermarck von Außig seiner Herkunft, war alt 100 Jahr." (Außig = Aussee.) Und noch früher meldete die Trautenauer Chronik (1575), daß der Klausenmeister Hans Oter, ebenfalls von Aussee, die Klause auf der Kleinen Aupa neu erbaut hat. In den inneren Riesengebirgstälern, die bisher nur Trupps von Erzsuchern durchforscht hatten und von denen ein Ölgemälde aus der Zeit von 1576/1585 nur Bergwerksstollen und -gebäude, Schmelzhütten, Köhlereien, Brettsäge, Kupferwassersiedehaus, Klausen, Holzfäller und Flößer, jedoch außer Ober- und Niederhof am Gebirgsrand noch keine Dauersiedlung abbildet[4], sind Holzarbeiter aus den Alpen eingesetzt worden[5]. Wieso wurden sie "Schwatzer" genannt?

Im unteren Inntal, beginnend bei Jenbach am Zillertal, wurde seit Anfang des 16. Jh. gegen das Kellerjoch hinan ergiebiger Erzbergbau getrieben, der in der Blütezeit jährlich 12 000 kg Silber zutage brachte. Außer Bergleuten von weit her waren hier aus verschiedenen Gegenden der Alpen Waldarbeiter zusammengeholt worden, die das benötigte Grubenholz in den Bergwäldern des weiteren Umkreises fällten und es auf größeren Bächen mittelst Klausenbetrieb ins Inntal hinaustrifteten. Das Zentrum des ganzen Betriebes war das reich gewordene Städtchen Schwaz, zu dieser Zeit der stattlichste und bedeutendste Ort Tirols mit Bergbau von fast europäischer Bedeutung. Sehr lang hielt der Bergsegen freilich nicht an. Schon seit der Hälfte des 16. Jahrhunderts versiegte er langsam, dann aber rapid. Die Gewerke zogen fort[6]. Für die geübten Holzknechte und Flößer hatte die kaiserliche Bergbauverwaltung eine zweckmäßige Verwendung an anderem Ort: Infolge des hohen Holzbedarfs der Silbergruben bei Kuttenberg in Ostböhmen waren die am nächsten liegenden Wälder längst abgeholzt. Der Berghauptmann Christoph von Gendorf, Besitzer der Herrschaft Hohenelbe, beantragte, das nötige Holz aus den Wäldern des Riesengebirges zu gewinnen und auf Aupa und Elbe bis nach Altkolin bei Kuttenberg zu flößen. Im April 1566 wurden Tiroler Fachleute veranlaßt, in den oberen Flußtälern ein Holznutzungs- und Triftprojekt auszuarbeiten. Schon im Juli des gleichen Jahres trafen 30 Holzhauer aus Tirol ein, und 1568 war die Holztrift bereits in vollem Gange, so daß Kaiser Maximilian II. am 1. März dieses Jahres ein Patent herausgeben mußte, das Störung und Entwendung des geflößten Holzes mit strengen Strafen bedrohte[7]. In mehreren Schüben holte man dann die abgehärteten, an schwieriges Gelände und schwere körperliche Beanspruchung gewöhnten Holzhauer und Flößer von ihrem bisherigen Arbeitsort in Tirol ins Riesengebirge. Da Schwaz der Ort war, in dem sie versammelt wurden und von dem sie die weite Reise angetreten hatten, nannte man sie in ihren neuen Wohnstellen kurzerhand die "Schwazer", in der Mundart "Schwozer".

Im Mai 1575 zählte Simon Hüttel, der Verfasser der Chronik von Trautenau, 371 Holzknechte "auf der Aupen arn holzflüssen". Und am 4. 6. 1591 "sind 300 Schwatzer Holzknechte gen Trautnaw auf den Schloßhof kommen, da hat ihn ein E. Rat 2 Faß Bier geschenkt und umb 2 Taler Brot"[8]. So werden es insgesamt etliche hundert Alpensöhne gewesen sein, die im Riesengebirge eine neue Heimat fanden, denn die Tatsachen erweisen, daß mindestens ein sehr großer Teil von ihnen hier geblieben ist.

Ihre Hauptniederlassungen waren sicher zunächst im Tal der Großen Aupa und im oberen Elbtal. Als erste Ansiedlung an der Kleinen Aupa wird der Platz bei Haus-Nr. 20 neben der Mohornmühle genannt. Nickelsberg, Simaberg und Tonhäuser sollen der Sage nach von den Brüdern Nikolaus, Simon und Anton Kirchschlager besiedelt worden sein 2. Über Petzer liegt "Wimmerberg", und es gibt die Hofer-, Sagasser- und Zinneckerbaude. Eine Stelle in Ober-Kleinaupa an den Grenzbauden bei Haus Nr. 184, wo die Schwazer einst einen Aufbewahrungsort für ihre Sachen hatten, hieß noch bis 1945 "Schwozer Keller", abgewandelt zu "Schweizer Keller" und "Schweinscher Keller"[9]. Die Nachkommen eines ehemaligen Klausenhüters wurden noch um 1900 statt mit ihrem Familiennamen vorzugsweise die "Schwozer" genannt. Sie trugen alle denselben Familiennamen und stammten nach glaubwürdiger Überlieferung aus dem obersten Haus von Alt-Sankt Peter im Langen Grund bei Spindelmühle, dessen Bach "Klausenwasser" heißt und noch heute Reste der alten Klause birgt[10]. Die ersten Häuser von Petzer dürften im Riesengrund entstanden sein. Zwischen Bergwerkern und Holzknechten im Aupatal – Riesengrund einerseits und Elbtal-Langer Grund andererseits – bestand wahrscheinlich Verkehr über die Geiergucke am Gebirgskamm, dessen Kreuzung mit dem Weg von Hohenelbe nach Krummhübl – Hirschberg die Gründung der Wiesenbaude zu verdanken ist[11].

Es ist wohl sicher, daß die Neuankömmlinge aus den Alpen ledige junge Männer waren, die sich ihre Frauen unter den Töchtern der von der schlesischen Seite über die Gebirgspässe gelangten Bewohner des unteren Aupatales und des oberen Elbtales suchten, so daß die älplerische Mundart bald von der schlesischen verdrängt worden sein dürfte[12]. Diese Holzknechte, Flößer und Klausenhüter waren die ersten Pioniere, die insbesonders das obere Aupatal mit fester Ansiedlung dem Verkehr und der Kultur erschlossen, und die dann wenig später nach Erliegen des Bergbaues und der Flößerei sich mit ihren winterfesten Bauden höher ins Gebirge und in noch abgelegenere Teile hinaufschoben und von Viehwirtschaft und Waldarbeit lebten.

Dieses Völkchen blieb trotz seiner Verstreutheit in den Gebirgstälern und Bergen bis zum Ende seiner Ansässigkeit, der Vertreibung i. J. 1945, verwandtschaftlich eng verbunden, von der Bevölkerung des Unterlandes gesondert. Die älplerischen Wesenszüge zeigten sich seit jeher in seinem kulturellen Leben, in Gebräuchen, Besonderheiten der Siedlung und der Bauten, der Bewirtschaftung ihres Eigentums, auch in gewisser Hartnäckigkeit, in Eigensinn und Hang zu mystischem Aberglauben, wie das mit unbedingter Anhänglichkeit an die Scholle Gebirgsvölkern eigen ist, die ihre Existenz tagein tagaus und Jahr für Jahr den harten Naturgegebenheiten und -gewalten abringen müssen.

Es gibt Sippen aus dem Aupatal, seinen Bergen und Nebentälern, deren Ahnentafel auch noch in der Generation gegen 1945 fast ausschließlich alpenländische Familiennamen aufweist, daß sie so gesehen immer noch als Älpler anzusprechen sind, auf deren Veranlagung freilich beinahe 400 Jahre lang die Eigenart des Riesengebirges eingewirkt hat. Zum Beispiel sind unter den Ahnen der Familie Hofer aus dem Latental über der Kleinen Aupa vermutlich nur die beiden Namen Dix und Bönsch nicht alpenländischer Herkunft, wogegen alle anderen leicht als solche erkennbar sind, wie Mitzinger, Wimmer, Hintner, Fuckner, Sagasser, Lahmer/Lahner, Sturm, Berger/Barger, Mohorn. In bisherigen Forschungen sind diese Familien, wenn auch mit Lücken, bis zur Steuerrolle vom Jahre 1651 verfolgt[13].


[1] Ludwig S c h l e s i n g e r: Simon Hüttels Chronik der Stadt Trautenau (1484 - 1601). Prag 1881.
[2] Johann Gottfried S o m m e r, Das Königreich Böhmen. Bd. IV: Königsgrätzer Kreis. Prag 1836, Seite 147; D e m u t h, J.: Der politische Bezirk Trautenau, Trautenau 1901, Seite 544.
[3] Ed. R. P e t r a k: Das Riesengebirge, Wien 1891, Seite 224.
[4] Herbert G r u h n: Das erste topographische Landschaftsgemälde des Riesengebirges. Jahrbuch des deutschen Riesengebirg.-Vereins. Hohenelbe 1937, Seite 70. – Karl S c h n e i d e r: "Wahrhafftige Beschreibung des gantzen Hriesengebirges." Eine Bildkarte aus dem 16. Jahrhundert. (In: Schlesisches Jahrbuch. Breslau 1938.)
[5] Paul R e g e l l: Der oberdeutsche Einschlag in der Bevölkerung des Riesengebirges. (In: Der Wanderer im Riesengebirge, Zeitschrift des deutschen und österreichische Riesengebirgsvereines, Band X, (1904/05.)
[6] Karl M a i s t e r: Schwaz um 1700. (In: Tiroler Heimatblätter. 12. Jahrgang, Heft 5/6, 1934, Seite 217.)
[7] J. B ö h m: Über die ehemalige Holzflößerei im Riesengebirge und Caspar Nuß von Raigersdorf. (In: Das Riesengebirge in Wort und Bild, Jg. 1885, Seite 44 - 49.); J. N o z i c k a: Die Holzflößerei auf der Aupa und Elbe aus dem Riesengebirge nach Kuttenberg in den Jahren 1566 – 1610. (In: Forstwissenschaftl. Centralblatt, 86. Jahrgang, Heft 2, 1967, Seite 126 – 130.)
[8] Ludwig S c h l e s i n g e r: Simon Hüttels Chronik der Stadt Trautenau (1484 – 1601). Prag 1881.
[9] Johann Gottfried S o m m e r, Das Königreich Böhmen. Bd. IV: Königsgrätzer Kreis. Prag 1836, Seite 147; D e m u t h, J.: Der politische Bezirk Trautenau, Trautenau 1901, S. 544. – Paul R e g e l l: Der oberdeutsche Einschlag in der Bevölkerung des Riesengebirges. (In: Der Wanderer im Riesengebirge, Zeitschrift d. deutsch. u. österreichische Riesengebirgsvereines, Bd. X, (1904/05.)
[10] Paul R e g e l l: Der oberdeutsche Einschlag in der Bevölkerung des Riesengebirges. (In: Der Wanderer im Riesengebirge, Zeitschrift d. deutsch. u. österreichische Riesengebirgsvereines, Bd. X, (1904/05.)
[11] Herbert G r u h n: Die Erschließung des Riesengebirgs bis zum Jahr 1700. (In: Zeitschrift des Vereins f. Geschichte Schlesiens. Bd. 62, Breslau 1928, S. 117.)
[12] Paul R e g e l l: Der oberdeutsche Einschlag in der Bevölkerung des Riesengebirges. (In: Der Wanderer im Riesengebirge, Zeitschrift d. deutsch. u. österreichische Riesengebirgsvereines, Bd. X, (1904/05.)
[13] Eine Abschrift der Familiennamen aus der Steuerrolle 1654 für Ober- und Nieder-Marschendorf, Kolbendorf und Albendorf aus dem Archiv in Prag besitze ich. (Groß- und Kleinaupa waren damals noch nicht selbständig.)

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