Quelle: Riesengebirgsheimat 1988
von Elfriede Krause
In den Riesengebirgsgemeinden Großaupa
I. und II. Teil und auch in Petzer, das einmal Großpapa III hieß, gab es viele
Familien mit dem Namen Tippelt. In jeder Generation hießen einige Johann Tippelt,
doch so bekannt wie er, wurde keiner. Noch 40 Jahre nach seinem Tod liefert
er bei Heimattreffen immer wieder Gesprächsstoff. Nicht, dass er sich durch
große Leistungen hervorgetan hätte, nein, das Gegenteil war der Fall. Er hatte
sich von klein auf vorgenommen, nicht zu arbeiten, und das hat er auch bis an
sein Lebensende durchgehalten.
Am 5. Februar 1876 kam er zur Welt, im Hause Nr. 2/II neben der Kreuzschenke.
Schule hatte er keine besucht, dazu war er vermutlich auch zu faul. Seinen Namen
konnte er aber trotzdem schreiben, schön und gut leserlich. Nachdem seine Eltern
verstorben waren und der arbeitsscheue Sohn das landwirtschaftliche Anwesen
verkommen ließ, obzwar er von großer kräftiger Gestalt und gesund an Leib und
Seele, musste das Haus versteigert werden und Johann Tippelt fiel der Gemeinde
zur Last. Wie damals allgemein üblich, gingen solche Leute von Haus zu Haus,
aßen bei den gutmütigen Familien mit am Tisch, und wenn die Nacht hereinbrach,
wurde auch ein Nachtlager nicht verwehrt. Meistens am Heuboden - aber vorher
muss er in der Küche Tabakspfeife und Streichhölzer abliefern, wegen Brandgefahr
im Heu.
Seinen Spitznamen bekam er von einem
entfernten Verwandten, dem Käsehändler Kasper Albert, der auf der Sonnseite
wohnte und wo er sich öfter aufhalten durfte. Als er nach dem Mittagessen einmal
auf den Sackenberg gehen sollte, um dort Butter und Käse abzuholen, weigerte
sich Johann hartnäckig. Kasper Albert, sonst als sehr humorvoller Mensch bekannt,
schimpfte erbost: "Du best doch of do Welt do grißte Feilich", also "Weltfeilich",
und das war dann zeitlebens seine Bezeichnung. Aber - den Töchtern vom Käsehändler
brachte er das Geld zur Sparkasse und dabei ist er sicher nicht ins Schwitzen
gekommen, denn der Weg war nicht weit. Auf der Kasse ließ er sich dann eine
zusätzliche Bescheinigung ausstellen, die er dann überall stolz herumzeigte,
um seine Ehrlichkeit zu beweisen.
Er hatte auch reiche Verwandte, die Besitzer
der Dix-Schleife. Von ihnen bekam er jede Weihnachten ein gutes neues Kleidungsstück.
Die Schuster in Großaupa machten ihm auch mal ein Paar Schuhe oder besohlten
sie. Gute Leute wuschen ihm da und dort die Wäsche und gaben ihm Gelegenheit,
sich zu baden. So war er kein übelriechender Penner. Der Frisör Weger schnitt
ihm auch mal für Gottes Lohn die Haare und rasierte ihn auch. Aber als ein zweiter
Frisörsalon in Großaupa eröffnet hatte, soll Weger nur eine Seite rasiert haben,
die andere Gesichtshälfte muss der Weltfeilich beim neuen Friseur abschaben
lassen.
Während des ersten Weltkrieges war er auch kurze Zeit beim Militär.
Böse Zungen behaupteten danach, er wäre deshalb so bald wieder entlassen worden,
denn wäre er von einer Kugel getroffen, wäre er sowieso zu faul zum Umfallen
gewesen. Stolz auf seine Soldatenzeit war er allemal.
Einmal zur Weihnachtszeit
hatte Frau Richter vom Schneiderberg einen kleinen Gugelhupf für ihn gebacken
- aber etwas tragen, nachdem er sich schon satt gegessen hatte, das war ihm
zu beschwerlich. "Gimmo ock liebo n Krune" war sein Vorschlag zur Güte. Weil
er zum Hochheiligen Feste auch mal ein "Vater unser" zum Himmel schicken wollte
als Dankgebet, dass er wieder so ganz ohne besondere Anstrengung das Jahr gemeistert
hatte, ging er mit der Krone schnurstracks zur blinden Anna und "ließ beten".
Auch dazu war er zu bequem. Der Pfarrer, Lehrer und Eltern mahnten die Kinder,
ihn nicht zu ärgern. Wahrscheinlich hauptsächlich deswegen, damit er nicht mit
seinem dicken Stock, den er stets dabei hatte, zuschlagen würde. Die Hunde kläfften
fürchterlich, wenn sie ihn mit seinem Stock erblickten. Dann riefen die Kinder
in Verstecken: "Barri, Barri, wau, wau." So wurde Barri sein zweiter Spitzname,
der ihn bis in die tiefste Seele kränkte.
Ein Haus mied er für alle Zeiten.
Dort hatte er auf der Bühne übernachtet. Unten im Hausflur hatte die Hausfrau
ein Säckchen mit Quark aufgehängt zum Abtropfen. Barri fürchtete sich sehr,
als er nachts Geräusche hörte. Ab und zu plumpste ein Tropfen Molke in den Eimer.
In seiner Angst vermutete er einen Geist, der in Abständen "Tippelt", Tippelt"
rufe.
Auf seiner Wanderschaft von Haus zu Haus ist er auch in vielen Nachbargemeinden
herumgekommen. Die Gendarmen schickten ihn dann heim nach Großaupa. Im Gebirge,
wo die Häuser weit verstreut lagen, fiel es wenig auf. Dort waren viele Fremde
unterwegs. Händler, die alles mögliche verkauften: Kalmus, Krauter, Stoffe,
Arbeitskleidung und den Gebirglern so den weiten Weg ersparten zur Stadt. Dann
die Topfbinder meist aus der Slowakei, die Töpfe zur Käsezubereitung mit Draht
bearbeiteten. So ist Barri bis in die Töpferbauden und die Lahrbauden gekommen.
Wenn eine Familie ihn loswerden wollte, brauchten sie nach dem Mittagessen nur
eine Arbeit wie Holzsägen oder Mistfahren von ihm verlangen. Sofort verließ
er zwar grimmig, aber wortlos das Haus.
1946 zur Vertreibung kam auch er ins
Lager nach Jungbuch. Dort soll er ausgerissen sein, wurde aber wieder eingefangen
und mit vielen anderen Riesengebirglern aus seinem Heimatort und anderen Orten
im Aupatale nach Mecklenburg aus gesiedelt. Dort ist er in ein Auto gelaufen
und das war sein Ende.