Einreicher: Karl-Heinz Drescher, Leipzig

Zur Geschichte des Stumpengrundes

von Hermann Bönsch, Schneidermeister in Krummhübel
* 12.06.1879 im Stumpengrund und † 05.04.1953 Braunschweig-Lehndorf

Aufzeichnungen nach einem Besuch bei Stefan Dix, weiland Heger im Stumpengrund (Gross-Aupa III.,
Petzer Nr. 126) am 10.03.1938

Stefan Dix war von 1891 bis 1901 Heger im Stumpengrund. Sein Revier reichte bis zur Landesgrenze im Norden, bis zum Blaugrund im Westen, bis zu Petzer im Süden und bis zum Löwengrund im Osten.

Er bewohnte das Haus Nr.126, welches 1891 in den Besitz des Grafen Czernin gekommen war. Er war dadurch Nachbar der Großeltern, die nach dem Verkauf von allen drei Häusern des Stumpengrundes in das leerstehende Haus Nr.125 gezogen waren.

Haus Nr.127 (Häringhaus) gehörte vor der Hochzeit dem Großvater. Er hat es für wenig Geld an die Familie Häring verkauft.

Die Wiesengrundstücke Nr.125, 126 und 127 lagen durcheinander, so das die Nachbarn ständig durch fremde Grundstücke laufen mussten. Daraus entstanden viele Reibereien. Daher beschlossen die Großelter das Häringhaus Nr.127 wieder zu kaufen. Beim Rückkauf mussten sie aber viel mehr Geld bezahlen. Damit fing das Unglück an. Dazu kam noch ein erhöhter Wildschaden (Seit über 50 Jahren war kein Wild geschossen worden). Die Großeltern brauchten Geld und gerieten an einen Wucherer mit Namen Mitzinger, der sie durch betrügerische Machenschaften um ihren gesamten Viehbestand, der einzigen Einnahmequelle, brachte.

Als die Not unerträglich wurde (von den sieben Söhnen waren nach und nach vier abgewandert, Johann und....an nach Westfalen, Franz und Wenzel nach Berlin), verkauften die Großeltern den gesamten Stumpengrund, ca. 7 ha für 6ooo Gulden an den Grafen Czernin in Marschendorf. Großmutter muss wie ein Löwe gekämpft haben, denn der Graf zahlte nicht nur sämtliche Schulden (lt. Grundbucheintragung 6.027,26 Gulden), sondern überließ den Großeltern das Haus Nr.125 und ¾ ha Garten zur unentgeltlichen Nutzung bis zum Tode. Außerdem erhielten sie jährlich 12 Klafter Holz und die Erlaubnis, jeden trockenen Baum im Hegebezirk zu fällen. Dadurch hatten die Großeltern ständig Brennholz und auch Geld. Die 12 Klafter Holz wurden sofort weiter verkauft und nur die dürren Bäume verbrannt. Der Graf hatte den Nutzen, dass sich keine Holzschädlinge breit machen konnten. Später erhielten die Großeltern die Erlaubnis Wildheu an den Hängen des Rosenberges, des Brunnberges und unterhalb von der Riesenbaude im Riesengrund zu machen. Die Arbeit war äußerst mühselig. Das Gras musste gemäht und getrocknet werden und dann auf dem Rücken nach Hause getragen werden. Zusätzlich verdiente sich der Großvater durch Schneidern etwas Geld, während die Großmutter durch den Verkauf von Butter und Käse ebenfalls zum Lebensunterhalt beitrug. Durch den Fang von Kreuzottern, die zur Krankenheilung benötigt wurden, kam durch die Großmutter noch mancher Gulden dazu.

1904 starb der Großvater. Die letzten Söhne, Josef nach Kunzendorf, Vinz nach....? und Hermann nach Berlin, waren fortgezogen und die Großmutter lebte nun mit ihrer schwachsinnigen Tochter allein. Als auch Anna 1912 im Irrenhaus zu Josefstal / Kosmonosz gestorben war, zog sie zu ihrem Sohn Hermann nach Krummhübel. Dort ist sie 1915 gestorben. Das Haus Nr.125 verfiel. Heute ist nur noch ein kleiner Steinhaufen von dem Haus vorhanden.

Nach der Pensionierung des Stefan Dix wurde sein Vetter Emil Dix Heger im Stumpengrund. Das Haus 126 wurde umgebaut. Emil Dix hat der  Großmutter hilfreich beigestanden. Stefan Dix hat sich auf dem Karlaberg ein Häuschen gekauft. Er lebte dort in ziemlich ärmlichen Verhältnissen. Er hat eine Chronik über die Gegend geschrieben, die sich auf dem Gemeindeamt von Petzer befand.

Die Akten der Grafschaft Marschendorf befanden sich in Wien. Ein großer Teil davon ist leider verbrannt. Aus der Geschichte der Grafschaft erzählte mir Stefan Dix u.a. folgendes:

Gräfin Tertzky besitzt um 1620 die Dörfer Marschendorf, Albendorf und Kolbendorf. Nach der Ermordung ihres Mannes, Wallenstein, wurden die Güter vom Staat eingezogen. 1650 gehen sie in den Besitz von Jakob de Wagge, Freiherr von Adelsberg. 1701 werden sie versteigert und kommen wieder in den Besitz der Familie Waldstein (Wallenstein). 1730 heiratet die Tochter einen Grafen Schaffgotsch und erbt die Dörfer. Infolge von Auszeichnungen in der Schlacht von Belgrad erhält Schaffgotsch die Wälder des Riesengebirges, aber nicht die Schürfrechte. Die Schürfrechte erhielt die Familie Ruffer. Die Familie Mitlöhner erwirbt sie später für 25000 Gulden (Bergschmiede). 1826 heiratet die Erbtochter des Grafen Schaffgotsch einen Grafen Aichelburg. Die Ruinen der Aichelburg liegen auf der Westseite des Dunkeltales zwischen Kreuzschänke und Marschendorf, auf einem Felsvorsprung. Graf Aichelburg wird dadurch Besitzer des Riesengebirges auf der böhmischen Seite. Die Schaffgotsch behalten die preußische Seite des Riesengebirges. Der Erbe Aichelburg stirbt im Irrenhaus. 1882 kauft Graf Czernin die Grafschaft Marschendorf. Die Urkunde betr. Kauf des Stumpengrundes weist als Besitzerin Gräfin Aloisia Czernin, geb. Gräfin Morzin und als Generalbeauftragten Rudolf Czernin von Chudenitz in Marschendorf, aus. Die Gräfin hatte anscheinend das Hauptrecht an dem Besitz. Sie wird von der Großmutter als eine leutselige und mildtätige Frau beschrieben.

Die Einwohner von Petzer waren frei und nur dem Kaiser untertan. 1830 versucht Graf Aichelburg die Einwohner von Petzer hörig zu machen. Er versprach ihnen aus seinem Waldgebiet Land zum siedeln. Dafür sollten sie an 30 Tagen im Jahr "Fussrobot" verrichten. Die Einwohner von Petzer lehnten jedoch ab. Der Ort wurde bereits 1526 urkundlich erwähnt.

Der Burggraf von Trautenau betreibt zu dieser Zeit zwei Eisenhämmer in Marschendorf. Das Erz kam aus dem Zehgrund bei Petzer (Zechengrund). Der Hochofen stand am Eingang des Zehgrundes in der Nähe vom Gasthaus "Zum Zehgrund". Richter aus Grünbach hat später die Steine vom Hochofen zu seinem Hausbau verwendet.

Das Riesengebirge war früher hauptsächlich mit Buchenwäldern bewachsen. Namen wie Buchberg und Buchwald weisen noch heute darauf hin. Zahlreiche Köhler verarbeiteten das Holz zu Holzkohle, die in den verschiedenen Hüttenbetrieben des Riesengebirges verbraucht wurde. Der Besitzer der Krölbaude, oberhalb vom Stumpengrund auf dem Weg zur Leischnerbaude, war ein Köhler. Auch der Name Schauerhütte stammt von einer Köhlerstelle.

Die Bewohner des Riesengebirges sind in mehreren Wellen in das Gebiet eingezogen. Um 1200 kamen Schatzsucher (Venediger) ins Gebirge und suchten mit Wünschelruten nach Erzen. Wir finden heute noch an verschiedenen Stellen des Gebirges Schutthalden, wo nach Gold, Silber, Eisen Blei, Kupfer und Arsenik gesucht wurde. Nach einer alten Sage soll die Schneekoppe auf „Goldenen Füßen“ stehen. Ober- und unterhalb von Haus Nr.125 habe ich selbst noch Schächte gefunden. Auch unterhalb der Bergschmiede ist noch ein, weit in den Berg hineinragender, Schacht vorhanden. Hier wurde hauptsächlich Kupfer und Arsen gefördert. Als die Fundstätten nicht mehr ergiebig waren, haben sich einzelne Bergleute angesiedelt. Diese Bergleute kamen aber vorwiegend aus dem Mansfeldischen, die in einer Zeiten Welle etwa um 1400 ins Gebirge kamen.

Der Vater und Großvater von der Großmutter Katharina waren auch Berghauer, bebauten aber nebenbei noch etwas Land und betrieben Viehzucht. Die Wiesen am Haus nannte man Garten, daher auch die Bezeichnung Gärtler oder Feldgärtler. Von der Großmutter bekam ich 1905 einen Kasten mit Steinen, die aus der Bergbautätigkeit der Mitlöhner stammten. Es waren wunderbare Steine, Erze und Bergkristalle darunter. Dummerweise habe ich die Steinsammlung meiner damaligen Schule, der XI. Realschule in Berlin, vermacht.

Noch um 1890 wurde viel Arsen gefördert. Die Rösthütte, genannt Gifthütte, stand noch während des 1. Weltkrieges in Petzer, in etwa gegenüber der Kapelle. Als Junge bin ich nur mit Unbehagen an den düsteren Mauern vorübergegangen.

Zwischen 1500 und 1650 kam die dritte Welle der Besiedlung ins Riesengebirge. Im Salzburger Land tobten heftige Glaubenskämpfe nach dem Gesetz cujus regio eos religio. Zahlreiche Bewohner wurden zwangsweise zum Katholizismus bekehrt oder mussten das Land verlassen. Daher kamen die Mitlöhner, Sagasser, Buchberger, Zinnecker, Hofer, Hintner, Fuckner u.a. ins Riesengebirge und siedelten. Später setzte auch hier die Gegenreformation ein, allerdings nicht in der gewaltsamen Form wie in Salzburg, sondern durch Missionstätigkeit, u.a. durch die Jesuiten. So kommt es, das alle unser Vorfahren seit etwa 1700 katholisch getauft worden sind.

< Home >     < Inhalt >

© Copyright 2004-2005 by http://grossaupa.riesengebirgler.de / www.riesengebirgler.de