Aufzeichnungen nach einem Besuch bei Stefan Dix, weiland
Heger im Stumpengrund (Gross-Aupa III.,
Petzer Nr. 126) am 10.03.1938
Stefan Dix war von 1891 bis 1901 Heger im Stumpengrund. Sein Revier reichte
bis zur Landesgrenze im Norden, bis zum Blaugrund im Westen, bis zu Petzer im
Süden und bis zum Löwengrund im Osten.
Er bewohnte das Haus Nr.126, welches 1891 in den Besitz des Grafen Czernin
gekommen war. Er war dadurch Nachbar der Großeltern, die nach dem Verkauf von
allen drei Häusern des Stumpengrundes in das leerstehende Haus Nr.125 gezogen
waren.
Haus Nr.127 (Häringhaus) gehörte vor der Hochzeit dem Großvater. Er hat es
für wenig Geld an die Familie Häring verkauft.
Die Wiesengrundstücke Nr.125, 126 und 127 lagen durcheinander, so das die Nachbarn
ständig durch fremde Grundstücke laufen mussten. Daraus entstanden viele Reibereien.
Daher beschlossen die Großelter das Häringhaus Nr.127 wieder zu kaufen. Beim
Rückkauf mussten sie aber viel mehr Geld bezahlen. Damit fing das Unglück an.
Dazu kam noch ein erhöhter Wildschaden (Seit über 50 Jahren war kein Wild geschossen
worden). Die Großeltern brauchten Geld und gerieten an einen Wucherer mit Namen
Mitzinger, der sie durch betrügerische Machenschaften um ihren gesamten Viehbestand,
der einzigen Einnahmequelle, brachte.
Als die Not unerträglich wurde (von den sieben Söhnen waren nach und nach vier
abgewandert, Johann und....an nach Westfalen, Franz und Wenzel nach Berlin),
verkauften die Großeltern den gesamten Stumpengrund, ca. 7 ha für 6ooo Gulden
an den Grafen Czernin in Marschendorf. Großmutter muss wie ein Löwe gekämpft
haben, denn der Graf zahlte nicht nur sämtliche Schulden (lt. Grundbucheintragung
6.027,26 Gulden), sondern überließ den Großeltern das Haus Nr.125 und ¾ ha Garten
zur unentgeltlichen Nutzung bis zum Tode. Außerdem erhielten sie jährlich 12
Klafter Holz und die Erlaubnis, jeden trockenen Baum im Hegebezirk zu fällen.
Dadurch hatten die Großeltern ständig Brennholz und auch Geld. Die 12 Klafter
Holz wurden sofort weiter verkauft und nur die dürren Bäume verbrannt. Der Graf
hatte den Nutzen, dass sich keine Holzschädlinge breit machen konnten. Später
erhielten die Großeltern die Erlaubnis Wildheu an den Hängen des Rosenberges,
des Brunnberges und unterhalb von der Riesenbaude im Riesengrund zu machen.
Die Arbeit war äußerst mühselig. Das Gras musste gemäht und getrocknet werden
und dann auf dem Rücken nach Hause getragen werden. Zusätzlich verdiente sich
der Großvater durch Schneidern etwas Geld, während die Großmutter durch den
Verkauf von Butter und Käse ebenfalls zum Lebensunterhalt beitrug. Durch den
Fang von Kreuzottern, die zur Krankenheilung benötigt wurden, kam durch die
Großmutter noch mancher Gulden dazu.
1904 starb der Großvater. Die letzten Söhne, Josef nach Kunzendorf, Vinz nach....?
und Hermann nach Berlin, waren fortgezogen und die Großmutter lebte nun mit
ihrer schwachsinnigen Tochter allein. Als auch Anna 1912 im Irrenhaus zu Josefstal
/ Kosmonosz gestorben war, zog sie zu ihrem Sohn Hermann nach Krummhübel. Dort
ist sie 1915 gestorben. Das Haus Nr.125 verfiel. Heute ist nur noch ein kleiner
Steinhaufen von dem Haus vorhanden.
Nach der Pensionierung des Stefan Dix wurde sein Vetter Emil Dix Heger im Stumpengrund.
Das Haus 126 wurde umgebaut. Emil Dix hat der Großmutter hilfreich beigestanden.
Stefan Dix hat sich auf dem Karlaberg ein Häuschen gekauft. Er lebte dort in
ziemlich ärmlichen Verhältnissen. Er hat eine Chronik über die Gegend geschrieben,
die sich auf dem Gemeindeamt von Petzer befand.
Die Akten der Grafschaft Marschendorf befanden sich in Wien. Ein großer Teil
davon ist leider verbrannt. Aus der Geschichte der Grafschaft erzählte mir Stefan
Dix u.a. folgendes:
Gräfin Tertzky besitzt um 1620 die Dörfer Marschendorf, Albendorf und Kolbendorf.
Nach der Ermordung ihres Mannes, Wallenstein, wurden die Güter vom Staat eingezogen.
1650 gehen sie in den Besitz von Jakob de Wagge, Freiherr von Adelsberg. 1701
werden sie versteigert und kommen wieder in den Besitz der Familie Waldstein
(Wallenstein). 1730 heiratet die Tochter einen Grafen Schaffgotsch und erbt
die Dörfer. Infolge von Auszeichnungen in der Schlacht von Belgrad erhält Schaffgotsch
die Wälder des Riesengebirges, aber nicht die Schürfrechte. Die Schürfrechte
erhielt die Familie Ruffer. Die Familie Mitlöhner erwirbt sie später für 25000
Gulden (Bergschmiede). 1826 heiratet die Erbtochter des Grafen Schaffgotsch
einen Grafen Aichelburg. Die Ruinen der Aichelburg liegen auf der Westseite
des Dunkeltales zwischen Kreuzschänke und Marschendorf, auf einem Felsvorsprung.
Graf Aichelburg wird dadurch Besitzer des Riesengebirges auf der böhmischen
Seite. Die Schaffgotsch behalten die preußische Seite des Riesengebirges. Der
Erbe Aichelburg stirbt im Irrenhaus. 1882 kauft Graf Czernin die Grafschaft
Marschendorf. Die Urkunde betr. Kauf des Stumpengrundes weist als Besitzerin
Gräfin Aloisia Czernin, geb. Gräfin Morzin und als Generalbeauftragten Rudolf
Czernin von Chudenitz in Marschendorf, aus. Die Gräfin hatte anscheinend das
Hauptrecht an dem Besitz. Sie wird von der Großmutter als eine leutselige und
mildtätige Frau beschrieben.
Die Einwohner von Petzer waren frei und nur dem Kaiser untertan. 1830 versucht
Graf Aichelburg die Einwohner von Petzer hörig zu machen. Er versprach ihnen
aus seinem Waldgebiet Land zum siedeln. Dafür sollten sie an 30 Tagen im Jahr
"Fussrobot" verrichten. Die Einwohner von Petzer lehnten jedoch ab.
Der Ort wurde bereits 1526 urkundlich erwähnt.
Der Burggraf von Trautenau betreibt zu dieser Zeit zwei Eisenhämmer in Marschendorf.
Das Erz kam aus dem Zehgrund bei Petzer (Zechengrund). Der Hochofen stand am
Eingang des Zehgrundes in der Nähe vom Gasthaus "Zum Zehgrund". Richter
aus Grünbach hat später die Steine vom Hochofen zu seinem Hausbau verwendet.
Das Riesengebirge war früher hauptsächlich mit Buchenwäldern bewachsen. Namen
wie Buchberg und Buchwald weisen noch heute darauf hin. Zahlreiche Köhler verarbeiteten
das Holz zu Holzkohle, die in den verschiedenen Hüttenbetrieben des Riesengebirges
verbraucht wurde. Der Besitzer der Krölbaude, oberhalb vom Stumpengrund auf
dem Weg zur Leischnerbaude, war ein Köhler. Auch der Name Schauerhütte stammt
von einer Köhlerstelle.
Die Bewohner des Riesengebirges sind in mehreren Wellen in das Gebiet eingezogen.
Um 1200 kamen Schatzsucher (Venediger) ins Gebirge und suchten mit Wünschelruten
nach Erzen. Wir finden heute noch an verschiedenen Stellen des Gebirges Schutthalden,
wo nach Gold, Silber, Eisen Blei, Kupfer und Arsenik gesucht wurde. Nach einer
alten Sage soll die Schneekoppe auf „Goldenen Füßen“ stehen. Ober- und unterhalb
von Haus Nr.125 habe ich selbst noch Schächte gefunden. Auch unterhalb der Bergschmiede
ist noch ein, weit in den Berg hineinragender, Schacht vorhanden. Hier wurde
hauptsächlich Kupfer und Arsen gefördert. Als die Fundstätten nicht mehr ergiebig
waren, haben sich einzelne Bergleute angesiedelt. Diese Bergleute kamen aber
vorwiegend aus dem Mansfeldischen, die in einer Zeiten Welle etwa um 1400 ins
Gebirge kamen.
Der Vater und Großvater von der Großmutter Katharina waren auch Berghauer, bebauten
aber nebenbei noch etwas Land und betrieben Viehzucht. Die Wiesen am Haus nannte
man Garten, daher auch die Bezeichnung Gärtler oder Feldgärtler. Von der Großmutter
bekam ich 1905 einen Kasten mit Steinen, die aus der Bergbautätigkeit der Mitlöhner
stammten. Es waren wunderbare Steine, Erze und Bergkristalle darunter. Dummerweise
habe ich die Steinsammlung meiner damaligen Schule, der XI. Realschule in Berlin,
vermacht.
Noch um 1890 wurde viel Arsen gefördert. Die Rösthütte, genannt Gifthütte,
stand noch während des 1. Weltkrieges in Petzer, in etwa gegenüber der Kapelle.
Als Junge bin ich nur mit Unbehagen an den düsteren Mauern vorübergegangen.
Zwischen 1500 und 1650 kam die dritte Welle der Besiedlung ins Riesengebirge.
Im Salzburger Land tobten heftige Glaubenskämpfe nach dem Gesetz cujus regio
eos religio. Zahlreiche Bewohner wurden zwangsweise zum Katholizismus bekehrt
oder mussten das Land verlassen. Daher kamen die Mitlöhner, Sagasser, Buchberger,
Zinnecker, Hofer, Hintner, Fuckner u.a. ins Riesengebirge und siedelten. Später
setzte auch hier die Gegenreformation ein, allerdings nicht in der gewaltsamen
Form wie in Salzburg, sondern durch Missionstätigkeit, u.a. durch die Jesuiten.
So kommt es, das alle unser Vorfahren seit etwa 1700 katholisch getauft worden
sind.