Wenn ein Fremder das schöne Aupatal in den letzten Jahrzehnten des vorigen
Jahrhunderts besuchte und nach einem gewissen Adalbert Sagasser fragte, so kam
mit ziemlicher Sicherheit die Gegenfrage: "Wie heeßt a denn soste noch?"
War der Fremde gut unterrichtet und konnte mit dem ortsüblichen Rufnamen "Kospo
Albert" dienen, so wurde ihm prompt genaue Auskunft zuteil. Denn Kospo
Albert war weit und breit im Riesengebirge bekannt und seine Butter- und Käsehandlung
nicht minder. Mit den ortsüblichen Rufnamen hatte es so seine Bewandtnis. Dem
Taufnamen der Kinder wurde gewöhnlich noch der Taufname des Vaters und, wenn
zur Unterscheidung der vielen gleichlautenden Familiennamen notwendig, auch
noch der Taufname des Großvaters vorangesetzt. So wusste man genau Bescheid
über ein Kind, wenn es sich als Kospo Alberts Seffla bekanntmachte. Der Kospo
(Kaspar Sagasser) war der Urgroßvater und Albert (Adalbert Sagasser) der Vater
des Sefflas. So kam es, dass ein anderer Sagasser-Stamm mit dem Namen "Malcher"
(Melchior), ein anderer mit "Thedurmanl"(Theodor Emanuel) usw. gerufen
werden musste. Auch den häufig vorkommenden Familiennamen Tippelt ging es nicht
besser (Ferda Ambros, Ferda Andres, Ferda Steffan usw.); Mitlöhner (Jessa Stefan,
Bittner Stefan, Benedikt Winz, Schmied Stefan usw.). Außer diesen Erkennungsnamen
waren noch Spitznamen gang und gäbe: Fuchs = Tippelt, Löwe = Kühnel, Henne =
Friedrich Seff (Bönsch); ein anderer Bönsch-Stamm waren die "Pennicha"
(so Pennicha Nazo, der Vater der Wiesenbaudenbesitzer Vinzenz Bönsch, Wilhelm
Bönsch und Robert Bönsch (Schwarzschlagbaudenbesitzer) Pennicha Winz,
Wilhelm und Robert usw. Mit den Spitznamen zusammenhängend soll hier eine heitere
Episode festgehalten werden. Dr ale Ferde (Tippelt Spitzname Fuchs) hatte
in der Stadt zu tun und besuchte dort mit einem zweiten Gebirgler ein gerade
anwesendes Wachsfigurenkabinett. Viel war zu sehen. Nun aber wollte der Ferde
wieder ins Freie, doch jede Tür, die er benützte, führte ihn wieder in ein anderes
Figurenkabinett. Was machen? Da steht ein Raubmörder vor einer Tür. Ferde geht
zu ihm und fragt: "Wu giehtsn do `naus??" Diese Begebenheit wurde
natürlich ausgenützt und dar ale Ferde oft damit gehänselt. So fragt ihn einmal
der Friedrich Seff (Spitzname Henne): "Du Ferde! Wos sortn eigentlich dar
Raubmörder zundo, wie da frocha toust, wus `naus gieht?" "Goookgookgook!"
Friedrich Seff trumfte drauf: "Jou, worn do Fochs a dobai?" "Ijou,
a brouchtn Henne!" Und damit war das Wortgefecht, das bei allen Anwesenden
größte Heiterkeit auslöste, beendet. Die Gebirgler des Aupatales hatten alle
so ihre Eigenheiten. Wenn ein Fremder glaubte, recht einfältige, vielleicht
beschränkte Menschen vor sich zu haben, so wurde er recht bald eines anderen
belehrt, wenn er diese "Eigenheiten", die ganz und gar nicht auf Bösartigkeit
hinauslaufen, in einer überlegenen Behandlung zu spüren bekam.
Ich fühle mich immer glücklich, wenn ich im Gespräch mit alten Bekannten aus
Großaupa die Typen von Gebirglern an mir vorüberziehen lassen kann und dabei
mich allerlei Spaßes erinnere.
Im Winter, an Samstagabenden (Samstag war der Tag. an dem die Butter und die
Käse zum Händler getragen wurden) oder an Sonntagvormittagen nach der Frühmesse
saßen die Männer bei Kospo Albert um den im Herrgottswinkel stehenden langen
Tisch. Da wurden Geschichten aus einem vierbändigen Universalkalender oder aus
dem Kalender "Für Zeit und Ewigkeit" vorgelesen, persönliche Erlebnisse
erzählt oder die Männer gaben überlieferte Erzählungen und Schabernacke ihrer
Väter, Groß- und Urgroßväter zum besten. Da wurde oft herzhaft gelacht. Ein
guter Vorleser und Erzähler war Ferda Ambros (Ambros Tippelt), Zimmermannpolier
von Beruf. Mit seiner schönen Bassstimme wusste er manches Soldatenerlebnis
spannend zu erzählen und führte die Tischrunde auch in die Zeit der Okkupation
Bosniens und der Herzegowina zurück. Eine andere Type war der Pennicha Stefan
(Stefan Mitlöhner), von "Beruf" Pascher. So hieß man die Schmuggler,
die über die Grenze aus Schlesien Zucker, Kaffee, Tabak, Expeller usw. nach
Böhmen brachten. Pennicha Stefan war eine Leuchte in seinem "Beruf",
und stundenlang konnte er davon erzählen, wie er seinen "Gegnern",
den Finanzern (die im Volksmunde Fichtlaschei... genannt, wurden), Schnippchen
geschlagen. Er wusste davon zu berichten, dass der Name "Geiergucke"
(Baude am Kreuzungsweg Fuchsberg-Hochwiesenberg und Richterbaude-Langer Grund)
aus den Erlebnissen der Pascher seinen Ursprung hat. Ein Finanzer namens Geier
lauerte oft bei dieser Kreuzung auf seine "Opfer". Die Schmuggler
sandten Späher aus, und es war nicht selten, dass sie mit dem Warnruf "Der
Geier guckt!" zurückkamen. Eines der vielen lustigen Stückchen, die Pennicha
Stefan "gedreht", das so recht zeigt, wie ihm, der einen Fischerbart
unterm Kinn trug und dem sein Lachen ein vielsprechendes Hi-hi-hi war, der Schalk
im Nacken saß, soll hier der Vergessenheit entrissen werden. Ein patziges Mädchen
hatte eine Bekanntschaft mit einem Finanzer. Gern hätte sie gehabt, dass der
Angebetete mehr aus sich herausgegangen wäre, und suchte Zuflucht beim Stefan,
ob er denn nicht ein Mittel wisse. "No freilich, do bräng ich holt amol
a Liewespolfo aus do Schleese miete." "Jou, wie sittn dos aus?"
"Dos is weißlich, schmeckt pettr on sisse zogleiche, on wiert eis Zotrenka
geton." "Haat, do do brengt mr ock eejne Portion miete!" Pennicha
Stefan überlegte am Heimweg, wie er der Heiratslustigen zu so einem Pulver verhelfen
könnte. Er schabte Alaun und Zucker, mischte die beiden Pulver und verpackte
kunstgerecht. Seine Frau, die ihn dabei beobachtet hatte, fragte: "Wous
machste denn dou wiedo fier eejne Tommhejt?" "Ich muss am Madla zu
em Monne vohelfa!" Sonntags empfing Stefan für sein Pulver einen Taler.
Aber nach vierzehn Tagen klagte das Mädchen ihm sein Leid, dass das Pulver nicht
gewirkt habe. Pennicha Stefan, nicht verlegen, sagte: "Jou, do wiert da
Kall holt eejne zo starke Natur houn, do müsst a holt eejne doppelte Portion
kriecha!" "Nu, wous wierd denn die kosta?" "Zweej Tolo."
Die "Pulverfabrik" vom Stefan wurde wieder in Gang gesetzt und die Liebesbedürftige
mit der Ware beglückt. Der Finanzer wurde zum Leidwesen des Mädchens, aber zur
besonderen Freude des "Liebespulverfabrikanten" wenige Tage nachher
an einen anderen Dienstposten versetzt.
Die Riesengebirgszeitung erinnert in ihrer Nr. 6 an den Borwitzer Seff. Auch
beim Kospo Albert war er stets zu Gaste. Als ihn der Wandertrieb wieder einmal
ins Aupatal führte, kam er wie auch immer zu ihm. Es war an einem Montag. Beim
Gläserschrank neben der Stubentür bis zum langen Tisch an der Hinterwand lagen
Käsebretter mit Käsen, die durch Salzen, wenn sie weich waren, durch Waschen
in Paprikawasser, wenn es eine harte Sorte war, zum Weiterverkauf alt und versandbereit
gemacht wurden. Der Borowitzer Seff wusste, dass es beim Kospo Albert immer
klingende Münze gab, stellte sich über Wunsch "wegen Platzmangel" auf einen
Stuhl unter den alten "Sejcher" und entlockte seiner zerbeulten Trompete,
bei geschlossenen Augen, mit großer Anstrengung Töne. Da plötzlich geht durch
das Instrument keine Luft, mag er seine Backen auch zum Zerspringen aufblasen;
sein Gesicht ist von der Anstrengung schon krebsrot, es kommt und kommt kein
Ton. Was war geschehen? Kospo Albert hatte aus der Ferne mit zielsicherem Wurf
einen Käse in die Öffnung der Trompete befördert. Seff war, als ihm klar wurde,
was geschehen, schwer beleidigt und blieb eine Zeit aus. Aber die gute Bekanntschaft,
die reichlichen Gaben ließen seinen Schmerz vergessen, und seine ohrenzerreißenden
Trompetenstöße klangen bald wieder in der niederen Gebirgsstube. Überhaupt war
es im Hause Kospo Alberts so, dass die Bettler immer reichlich bedacht wurden,
ja sogar angeben konnten, was sie gerne an Speis und Trank möchten. Die Albert
Anne, die Ehegattin, galt im Orte als die stets und gern gebende gute Mutter
der Armen. Der Borowitzer Seff war daher nicht der einzige Musikus, der in Kospo
Alberts Hause verkehrte. Da war "`s Harfaweib", da waren Ziehharmonika-
und Leierkastenspieler, Sänger und Sängerinnen usw., die dem Musikliebhaber
ihre "Künste“ vortragen wollten. Nach anstrengender Tageswanderung ums
Dorf fanden diese Leute nachts immer ein gut zurechtgemachtes Lager neben der
Schar von acht, mit dem angenommenen Jungen, neun Kindern.
So fördernd Kospo Albert für Fremdenverkehr eintrat er war neben H. H.
Dechant Vinzenz Kröhn, Oberlehrer Adolf Kohl. Förster Knaute mit bei den Gründern
des "Anpflanzungs- und Verschönerungsvereines Großaupa II."
so ablehnend war er gegen die, die mit der Gebirgsbutter und den "Schmettenkäsen",
die in seinem Geschäft durch langjährige Erfahrung eine vortreffliche Nachbehandlung
erfuhren, nicht zufrieden sein wollten. Sein hohes Alter nahm ihm nichts von
seinem gesunden Humor, von dem jeder Einheimische berichten konnte.