Quelle: "Aus Rübezahls Heimat" Folge 10-1952

Erinnerungen an die kleine Welt um Kospo Albert

Autor: unbekannt

Wenn ein Fremder das schöne Aupatal in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts besuchte und nach einem gewissen Adalbert Sagasser fragte, so kam mit ziemlicher Sicherheit die Gegenfrage: "Wie heeßt a denn soste noch?" War der Fremde gut unterrichtet und konnte mit dem ortsüblichen Rufnamen "Kospo Albert" dienen, so wurde ihm prompt genaue Auskunft zuteil. Denn Kospo Albert war weit und breit im Riesengebirge bekannt und seine Butter- und Käsehandlung nicht minder. Mit den ortsüblichen Rufnamen hatte es so seine Bewandtnis. Dem Taufnamen der Kinder wurde gewöhnlich noch der Taufname des Vaters und, wenn zur Unterscheidung der vielen gleichlautenden Familiennamen notwendig, auch noch der Taufname des Großvaters vorangesetzt. So wusste man genau Bescheid über ein Kind, wenn es sich als Kospo Alberts Seffla bekanntmachte. Der Kospo (Kaspar Sagasser) war der Urgroßvater und Albert (Adalbert Sagasser) der Vater des Sefflas. So kam es, dass ein anderer Sagasser-Stamm mit dem Namen "Malcher" (Melchior), ein anderer mit "Thedurmanl"(Theodor Emanuel) usw. gerufen werden musste. Auch den häufig vorkommenden Familiennamen Tippelt ging es nicht besser (Ferda Ambros, Ferda Andres, Ferda Steffan usw.); Mitlöhner (Jessa Stefan, Bittner Stefan, Benedikt Winz, Schmied Stefan usw.). Außer diesen Erkennungsnamen waren noch Spitznamen gang und gäbe: Fuchs = Tippelt, Löwe = Kühnel, Henne = Friedrich Seff (Bönsch); ein anderer Bönsch-Stamm waren die "Pennicha" (so Pennicha Nazo, der Vater der Wiesenbaudenbesitzer Vinzenz Bönsch, Wilhelm Bönsch und Robert Bönsch (Schwarzschlagbaudenbesitzer) – Pennicha Winz, Wilhelm und Robert usw. Mit den Spitznamen zusammenhängend soll hier eine heitere Episode festgehalten werden. Dr ale Ferde (Tippelt – Spitzname Fuchs) hatte in der Stadt zu tun und besuchte dort mit einem zweiten Gebirgler ein gerade anwesendes Wachsfigurenkabinett. Viel war zu sehen. Nun aber wollte der Ferde wieder ins Freie, doch jede Tür, die er benützte, führte ihn wieder in ein anderes Figurenkabinett. Was machen? Da steht ein Raubmörder vor einer Tür. Ferde geht zu ihm und fragt: "Wu giehtsn do `naus??" Diese Begebenheit wurde natürlich ausgenützt und dar ale Ferde oft damit gehänselt. So fragt ihn einmal der Friedrich Seff (Spitzname Henne): "Du Ferde! Wos sortn eigentlich dar Raubmörder zundo, wie da frocha toust, wus `naus gieht?" "Goookgookgook!" Friedrich Seff trumfte drauf: "Jou, worn do Fochs a dobai?" "Ijou, a brouchtn Henne!" Und damit war das Wortgefecht, das bei allen Anwesenden größte Heiterkeit auslöste, beendet. Die Gebirgler des Aupatales hatten alle so ihre Eigenheiten. Wenn ein Fremder glaubte, recht einfältige, vielleicht beschränkte Menschen vor sich zu haben, so wurde er recht bald eines anderen belehrt, wenn er diese "Eigenheiten", die ganz und gar nicht auf Bösartigkeit hinauslaufen, in einer überlegenen Behandlung zu spüren bekam.

Ich fühle mich immer glücklich, wenn ich im Gespräch mit alten Bekannten aus Großaupa die Typen von Gebirglern an mir vorüberziehen lassen kann und dabei mich allerlei Spaßes erinnere.

Im Winter, an Samstagabenden (Samstag war der Tag. an dem die Butter und die Käse zum Händler getragen wurden) oder an Sonntagvormittagen nach der Frühmesse saßen die Männer bei Kospo Albert um den im Herrgottswinkel stehenden langen Tisch. Da wurden Geschichten aus einem vierbändigen Universalkalender oder aus dem Kalender "Für Zeit und Ewigkeit" vorgelesen, persönliche Erlebnisse erzählt oder die Männer gaben überlieferte Erzählungen und Schabernacke ihrer Väter, Groß- und Urgroßväter zum besten. Da wurde oft herzhaft gelacht. Ein guter Vorleser und Erzähler war Ferda Ambros (Ambros Tippelt), Zimmermannpolier von Beruf. Mit seiner schönen Bassstimme wusste er manches Soldatenerlebnis spannend zu erzählen und führte die Tischrunde auch in die Zeit der Okkupation Bosniens und der Herzegowina zurück. Eine andere Type war der Pennicha Stefan (Stefan Mitlöhner), von "Beruf" Pascher. So hieß man die Schmuggler, die über die Grenze aus Schlesien Zucker, Kaffee, Tabak, Expeller usw. nach Böhmen brachten. Pennicha Stefan war eine Leuchte in seinem "Beruf", und stundenlang konnte er davon erzählen, wie er seinen "Gegnern", den Finanzern (die im Volksmunde Fichtlaschei... genannt, wurden), Schnippchen geschlagen. Er wusste davon zu berichten, dass der Name "Geiergucke" (Baude am Kreuzungsweg Fuchsberg-Hochwiesenberg und Richterbaude-Langer Grund) aus den Erlebnissen der Pascher seinen Ursprung hat. Ein Finanzer namens Geier lauerte oft bei dieser Kreuzung auf seine "Opfer". Die Schmuggler sandten Späher aus, und es war nicht selten, dass sie mit dem Warnruf "Der Geier guckt!" zurückkamen. Eines der vielen lustigen Stückchen, die Pennicha Stefan "gedreht", das so recht zeigt, wie ihm, der einen Fischerbart unterm Kinn trug und dem sein Lachen ein vielsprechendes Hi-hi-hi war, der Schalk im Nacken saß, soll hier der Vergessenheit entrissen werden. Ein patziges Mädchen hatte eine Bekanntschaft mit einem Finanzer. Gern hätte sie gehabt, dass der Angebetete mehr aus sich herausgegangen wäre, und suchte Zuflucht beim Stefan, ob er denn nicht ein Mittel wisse. "No freilich, do bräng ich holt amol a Liewespolfo aus do Schleese miete." "Jou, wie sittn dos aus?" "Dos is weißlich, schmeckt pettr on sisse zogleiche, on wiert eis Zotrenka geton." "Haat, do do brengt mr ock eejne Portion miete!" Pennicha Stefan überlegte am Heimweg, wie er der Heiratslustigen zu so einem Pulver verhelfen könnte. Er schabte Alaun und Zucker, mischte die beiden Pulver und verpackte kunstgerecht. Seine Frau, die ihn dabei beobachtet hatte, fragte: "Wous machste denn dou wiedo fier eejne Tommhejt?" "Ich muss am Madla zu em Monne vohelfa!" Sonntags empfing Stefan für sein Pulver einen Taler. Aber nach vierzehn Tagen klagte das Mädchen ihm sein Leid, dass das Pulver nicht gewirkt habe. Pennicha Stefan, nicht verlegen, sagte: "Jou, do wiert da Kall holt eejne zo starke Natur houn, do müsst a holt eejne doppelte Portion kriecha!" "Nu, wous wierd denn die kosta?" "Zweej Tolo." Die "Pulverfabrik" vom Stefan wurde wieder in Gang gesetzt und die Liebesbedürftige mit der Ware beglückt. Der Finanzer wurde zum Leidwesen des Mädchens, aber zur besonderen Freude des "Liebespulverfabrikanten" wenige Tage nachher an einen anderen Dienstposten versetzt.

Die Riesengebirgszeitung erinnert in ihrer Nr. 6 an den Borwitzer Seff. Auch beim Kospo Albert war er stets zu Gaste. Als ihn der Wandertrieb wieder einmal ins Aupatal führte, kam er wie auch immer zu ihm. Es war an einem Montag. Beim Gläserschrank neben der Stubentür bis zum langen Tisch an der Hinterwand lagen Käsebretter mit Käsen, die durch Salzen, wenn sie weich waren, durch Waschen in Paprikawasser, wenn es eine harte Sorte war, zum Weiterverkauf alt und versandbereit gemacht wurden. Der Borowitzer Seff wusste, dass es beim Kospo Albert immer klingende Münze gab, stellte sich über Wunsch "wegen Platzmangel" auf einen Stuhl unter den alten "Sejcher" und entlockte seiner zerbeulten Trompete, bei geschlossenen Augen, mit großer Anstrengung Töne. Da plötzlich geht durch das Instrument keine Luft, mag er seine Backen auch zum Zerspringen aufblasen; sein Gesicht ist von der Anstrengung schon krebsrot, es kommt und kommt kein Ton. Was war geschehen? Kospo Albert hatte aus der Ferne mit zielsicherem Wurf einen Käse in die Öffnung der Trompete befördert. Seff war, als ihm klar wurde, was geschehen, schwer beleidigt und blieb eine Zeit aus. Aber die gute Bekanntschaft, die reichlichen Gaben ließen seinen Schmerz vergessen, und seine ohrenzerreißenden Trompetenstöße klangen bald wieder in der niederen Gebirgsstube. Überhaupt war es im Hause Kospo Alberts so, dass die Bettler immer reichlich bedacht wurden, ja sogar angeben konnten, was sie gerne an Speis und Trank möchten. Die Albert Anne, die Ehegattin, galt im Orte als die stets und gern gebende gute Mutter der Armen. Der Borowitzer Seff war daher nicht der einzige Musikus, der in Kospo Alberts Hause verkehrte. Da war "`s Harfaweib", da waren Ziehharmonika- und Leierkastenspieler, Sänger und Sängerinnen usw., die dem Musikliebhaber ihre "Künste“ vortragen wollten. Nach anstrengender Tageswanderung ums Dorf fanden diese Leute nachts immer ein gut zurechtgemachtes Lager neben der Schar von acht, mit dem angenommenen Jungen, neun Kindern.

So fördernd Kospo Albert für Fremdenverkehr eintrat – er war neben H. H. Dechant Vinzenz Kröhn, Oberlehrer Adolf Kohl. Förster Knaute mit bei den Gründern des "Anpflanzungs- und Verschönerungsvereines Großaupa II." – so ablehnend war er gegen die, die mit der Gebirgsbutter und den "Schmettenkäsen", die in seinem Geschäft durch langjährige Erfahrung eine vortreffliche Nachbehandlung erfuhren, nicht zufrieden sein wollten. Sein hohes Alter nahm ihm nichts von seinem gesunden Humor, von dem jeder Einheimische berichten konnte.

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