Zu den besuchtesten und schönsten
Gebirgspartien im Riesengebirge gehört das Tal der Grossen Aupa: vom Platz in
Marschendorf IV Teil angefangen durch den Engpass des Dunkeltales, welches geheimnisvoller
Dämmerschein erfüllt und in welchem sich in das leise Rauschen der emporstrebenden
Fichtenkronen das mächtige Getöse der wildbrausenden Aupa mischt, das in der
Stille des Thales verstärkt erscheint und das an den Waldlehnen, welche zu beiden
Seiten des Flusses schroff emporstreben, widerhallt - durch das herrliche Tal
von Gross-Aupa, dessen belebter Dorfteil uns nach Austritt aus dem einsamen
Dunkeltale wieder in das Getriebe der Welt zurückversetzt, dessen malerisch
an den hohen Talhängen zerstreut liegende Baudengruppen uns eine reizende Alpenszenerie
vor Augen führen durch den großartigen Riesen- und Aupagrund, das größte
ehemalige Gletscherbett und die imposanteste und herrlichste Gebirgsschlucht
unseres Riesengebirges bis hinauf zur Riesenbaude, die am obersten Steilrande
des wildromantischen Aupakessels steht und in welcher wir zu erquickender Rast
einkehren.
Vor etwa 50 Jahren war eine Fahrt durch das Aupatal unmöglich und eine Wanderung
durch das selbe sehr mühselig; der Aufstieg durch den Riesen- und Aupagrund
aber war äußerst beschwert, ja sogar gefahrvoll. Daher wurde dieser Gebirgsteil
von Fremden gemieden und die Schönheiten desselben blieben weiteren Kreisen
unbekannt.
Nur Wenigen dürfte es bekannt sein, dass der ehemalige Kaufmann Stefan Mitlöhner
in Gross-Aupa sich hier als ein Vorkämpfer des R.-G.-V. erwies, indem er den
Bau der ersten Straße von Marschendorf bis Gross-Aupa anregte und kräftig förderte
und dadurch dies Tal dem Verkehr und der Touristik erschloss, indem er ferner
einen bequemen Weg auf der gefahrvollsten und beschwertesten Strecke des Riesen-
und Aupagrundes, nämlich von der Bergschmiede bis zur Riesenbaude, anlegte und
indem er auch das gastliche Heim der Riesenbaude ins Leben rief.
Da selbst den bloßen Namen dieses verdienstvollen Mannes nur Wenige kennen,
dürfte ein Näheres über seine Lebensschicksale wohl ziemlich unbekannt sein.
Wie könnten wir aber das Andenken Mitlöhners besser ehren, als wenn wir dessen
Leben und Wirken der Vergessenheit entreißen, indem hier sein Lebensgang, der
uns seine Verdienste erst im rechten Licht erscheinen lässt, der Öffentlichkeit
übergeben wird, auf dass er Gemeingut aller Freunde des Riesengebirges werde
und allzeit bleibe.
Stefan Mitlöhner wurde am 14. März 1780 in Gross-Aupa I. Teil geboren, woselbst
sein Vater Joseph Gottfried Mitlöhner, der wohl reich an Kindersegen, aber arm
an irdischen Glücksgütern war, eine Häuslerstelle besaß. Gross-Aupa befand sich
damals noch im Urzustande; es war ein gar armseliges, von allem Verkehr abgeschlossenes
Gebirgsdorf, das weder eine passierbare Straße, noch eine Schule besaß. Der
Ort war nach Marschendorf eingepfarrt, woselbst denn auch Stephan Mitlöhner
getauft wurde. Eine eigene Kirche erhielt Gross-Aupa erst im Jahre 1788 auf
Anordnung Kaiser Joseph II., der 1779 diese Gebirgsgegend besuchte und befahl,
aus dem Religionsfonds hierselbst eine Kirche zu erbauen. Die geistigen Fähigkeiten
des zum schulpflichtigen Alter herangewachsenen talentvollen Knaben konnten
aber nicht gehörig entwickelt werden, denn Gross-Aupa erhielt erst in späterer
Zeit eine Schule und der durch die Ungunst der Witterung und die Unwegsamkeit
des Ortes oft unterbrochene Unterricht wurde zu jener Zeit von einer ambulanten
Lehrkraft erteilt, welche von Haus zu Haus ging und dort ihr geringes Wissen
lehrte.
Am 20. November 1803 vermählte sich Stefan Mitlöhner mit Gertrud Richter, ehelichen
Tochter des Gemeindevorstehers Benjamin Richter in Gross-Aupa III. Teil, welcher
Ehe eine Tochter, Namens Genovefa, spätere verehelichte Dix (gestorben 28. August
1885) entstammte. Zu Anfang dieses Jahrhunderts besaß Gross-Aupa nun auch eine
Schule. Mitlöhner empfand es schmerzlich, während seiner Kinderjahre nicht die
Kenntnisse erlangt zu haben, die jeder gebildete Mensch sich erwerben muss.
Um in den Besitz derselben zu gelangen und seine Missbegierde zu sättigen, genierte
er sich nicht, mit Hintansetzung aller Vorurteile, als jung verheirateter Mann
sich nochmals auf die Schulbank zu setzen, auf der er einen Eifer und Fleiß
entwickelte, wie dieser in solch einem Alter nur selten zu finden ist. Nachdem
er, und zwar nicht ohne bedeutenden Erfolg, die Schule eine Zeit lang besucht
hatte, wandte er alle Aufmerksamkeit seinem Hauswesen und dem öffentlichen Gemeindeleben
zu. Letzteres aber war trauriger Art. Noch immer entbehrte der Ort einer fahrbaren
Straße, die ihn mit der Außenwelt verband und die irgend einen Geschäftszweig
in das abgeschlossene Gebirgsdorf geleitet hätte. In Gross-Aupa waren nicht
einmal die notwendigsten Gebrauchsgegenstände zu bekommen; sie mussten in Marschendorf
geholt werden. Bis dorthin wurden auch größere Frachtstücke gefahren, die alsdann
auf dem Rücken bis Gross-Aupa getragen werden mussten. So beschwert und kostspielig
die Anschaffung der Lebensbedürfnisse hier zu damaliger Zeit war, ebenso mühsam
und gefahrvoll war der Verkauf der einzigen Erzeugnisse: Butter und Käse, deren
Absatz aus Mangel an den erforderlichen Verkehrswegen nur gering war. Mit schwerbepackter
Hucke auf dem Rücken überstiegen die erwachsenen, männlichen Personen den hohen,
unwegsamen Gebirgskamm, um die heimatlichen Erzeugnisse in dem zwei Meilen entfernten
Hohenelbe für einen geringen Preis zu verkaufen. Welch entsetzliche Gefahren
für Gesundheit und Leben hatten nicht selten im Winter diese Männer, welche
doch von Jugend auf durch körperliche Strapazen verschiedener Art ihren Mut
genugsam erprobt hatten, zu überwinden! Mit welch banger Angst harrte daheim
tagelang das besorgte Weib auf die Rückkehr des Gatten, wie sehr sehnten sich
die hungernden Kinder nach der Heimkehr des Vaters, der vielleicht draußen in
der Einöde des Gebirges mit den empörten Elementen kämpfte!
Den im besten Mannesalter stehenden Mitlöhner, welcher ebenfalls im Kampfe mit
der Ungunst der örtlichen Erwerbs-, Terrain- und Witterungsverhältnisse Körper
und Geist gestählt hatte und die Entbehrungen, Beschwerden, Mühen und Gefahren
der dortigen Gebirgsbevölkerung aus eigener Erfahrung kannte, erfüllte nur ein
Wunsch, nämlich der, sich dem Wohle der armen Gemeinde widmen und deren hartes
Los mildern zu können. Sein scharfblickender Geist erkannte, dass dem Orte noch
eine Zukunft bevorstand; und als sich später vieles so gestaltete, wie er vorhergesagt
hatte, meinten einige Ortsinsassen, er stehe mit dem Teufel in Verbindung u.
s. w. Um den Bewohnern Gross-Aupa´s ihr mühevolles Leben und den Absatz
ihrer Erzeugnisse zu erleichtern, errichtete Mitlöhner am Orte die erste Handelsstelle
mit Butter und Käse. Keine Mühen und Kosten scheuend, setzte er dabei in selbstlosester
Weise sein ganzes Vermögen aufs Spiel. Sein Bemühen war mit Erfolg gekrönt,
denn es gelang ihm, den Handel mit diesen heimischen Produkten selbst bis Prag,
Berlin und Hamburg auszudehnen. Obgleich der wohltätige Einfluss dieses Unternehmens
deutlich zu Tage trat, fehlte es aber auch nicht an Leuten, welche Mitlöhner
anfeindeten und diese Verlaufstelle für schädlich hielten.
Mitlöhners praktischer Blick ließ ihn zur Überzeugung gelangen, dass ein Aufschwung
Gross-Aupa´s aber nur möglich sei, wenn der Ort durch eine fahrbare Straße
mit Marschendorf verbunden werde. Diese herrliche Idee verschaffte ihm aber
neue Anfeindungen und Verdächtigungen. Gar viele sträubten sich gewaltig gegen
die Ausführung dieses Gedankens und nur einige einsichtsvolle Männer teilten
seine Ansicht. Da musste nun Mitlöhner gar vorsichtig zu Werke gehen, sollte
dieses sein Lieblingsprojekt nicht an dem Unverstande derer, welche eine Straße
für schadenbringend hielten, scheitern. Mit Aufbietung aller ihm zu Gebote stehenden
Beredsamkeit, wirkte er auf die ortseingesessenen Männer so lange ein, bis eine
genügende Anzahl derselben sein Vorhaben unterstützte. Als dies der Fall war,
wurde mit dem Straßenbau begonnen. Mitlöhner scheute keine Auslagen und zahlte
Vorschüsse, bis endlich das Werk gelungen war. Jetzt brachte man alle Gebrauchsartikel
bis ins Dorf; jetzt wurden die Erzeugnisse des Ortes in diesem selbst verkauft
und zwar zu viel besseren Preisen, als dies früher der Fall war; jetzt hatten
für die Bewohner die gefahrvollen Transporte und die damit verbundenen Ängsten
der Familien ihr Ende erreicht; kurz: Gross-Aupa´s Zukunft war gesichert
und der Grundstein zu seiner jetzigen Wohlhabenheit gelegt. Mitlöhner konnte
mit Recht sagen: das ist mein Werk! und er freute sich des vollendeten und gelungenen
Werkes und vergaß dabei die vielen kummervollen Stunden, die er sich dadurch
bereitet hatte.
Welch hohen Genuss hat nicht Mitlöhner dadurch, dass er die Herstellung dieser
Straße anregte und durchführte, somit also die herrliche Gebirgslandschaft der
Touristik erschloss und den Strom der Riesengebirgsbesucher in dies Tal lenkte,
den vielen Tausenden Lustreisender eröffnet! Welch hoher Nutzen erwächst nicht
aus dem Fremdenbesuch für Gross-Aupa!
In seiner Uneigennützigkeit überließ Mitlöhner später den anderen Ortsbewohnern
den Handel mit Butter und Käse, den er bisher geleitet hatte, und unterwies
dieselben in der Handhabung der Handelsgeschäfte. So leitete er Betriebsamkeit
und Wohlstand in die verschiedenen Häuser seines Heimatortes.
1820 errichtete Mitlöhner in Gross-Aupa einen Spezerei- und Lederhandel und
betrieb auf Grund solider Geschäftsprinzipien ein lebhaftes Geschäft. Doch hatte
er hierbei, da er in seiner Herzensgüte manchem zu viel auf Treu und Glauben
vertraute, bedeutende Verluste zu beklagen.
Strenge Unparteilichkeit, Unerschrockenheit und Gerechtigkeitsliebe waren Charaktereigenschaften,
von denen er sich durch nichts abwendig machen ließ. Dies war auch der Fall,
als er in den Jahren 1835 bis 1841 in seiner Eigenschaft als Mitglied des Gemeindeausschusses
von Gross-Aupa gegen die obrigkeitliche Herrschaft zu Marschendorf mit Energie
einen Prozess führte, den er auch zum Wohle seiner Gemeinde gewann. Hierdurch
hatte er sich freilich die Marschendorfer Herrschaft zum Feinde gemacht, und
dieselbe ließ es ihm, wo es nur anging, entgelten, wobei sie von Mitlöhners
Neidern kräftigst unterstütz wurde. Wohl schmerzte den Mann, dessen Streben
und Wirken einzig dahin gerichtet war, das Wohl seines Geburtsortes zu fördern,
dieses Gebaren, aber dennoch ließ er sich nicht entmutigen, sein Humanitätswerk
fortzusetzen.
Im Jahre 1841 sollte Mitlöhner einen harten Schlag des Schicksals erfahren,
denn am 31. Januar des genannten Jahres stand er am Sterbebett seiner Gattin
Gertrud, welche sich mit ihm eins fühlte in seinen Humanitätsbestrebungen und
welche im trauten Heim die Kummerwolken, die bisweilen seine Stirn beschatteten,
verscheuchte.
Sein rastloser Geist drängte ihn zu neuen Unternehmungen. So erbaute er in der
Nähe der Kirche 1841 / 42 das Haus Nr. 104 (jetzt 67), den heutigen Felsenkeller,
in das er sein Kaufmannsgeschäft verlegte. Außerdem errichtete er darin einen
Weinschank, zu welchem Zwecke das Haus auch über Weinstuben und einen großen
Saal verfügte. Ferner bot das Gebäude noch für eine Fleischerei genügend Raum.
Ein so umfangreiches Geschäft erforderte aber auch eine tüchtige Hausfrau. Als
solche und als Gattin führte Mitlöhner, im Alter von 62 Jahren, am 04. Februar
1842, Regina Dix, die 21jährige Tochter des Bäckermeisters Johann Dix in Gross-Aupa,
in das neue Heim und mit ihr einen Schatz von Lebensglück, den Segen und die
Stütze seines Alters. Dieser Ehe entsprossen drei Töchter und ein Sohn, welch
letzterer aber im zarten Kindesalter starb.
Im Jahre 1846 waren im Gebirge und ringsherum im Lande die Kartoffeln gänzlich
missraten. Es fehlte also den armen Gebirgsbewohnern das ihnen unentbehrlichste
Nahrungsmittel und infolge dieses Misswachses entstand eine große Teuerung.
Entbehrungen und Hunger hatten jetzt in den Hütten der Gebirgsbevölkerung ihren
Einzug gehalten, denn es fehlte an lohnendem Verdienst. Mitlöhner, welcher in
seinem tieffühlenden Herzen die Not und das Elend der Bevölkerung des Aupatales
mit Schmerz empfand, sann nach einem Mittel, durch das den armen Leuten ein
lohnender Verdienst verschafft und somit deren Kummer gemildert werden könne.
Das Mittel war bald gefunden. Bis zur Bergschmiede führte wohl von Petzer aus
ein Weg, aber von letzterer über den Kiesberg bis zum Koppenplan, also auf dem
schwierigsten und gefahrvollsten Terrain des Riesen- und Aupagrundes, fehlte
als bequeme Verbindung ein gangbarer Weg. Diesen wollte Mitlöhner auf seine
Kosten bauen und somit den darbenden Heimatleuten zu Beschäftigung und Verdienst
helfen. Mit der ihm eigenen Beharrlichkeit, mit welcher er alle seine Ideen
verwirklichte, begann er, alle Hindernisse überwindend, das äußerst schwierige
und kostspielige Werk, zu dem er gemäß obrigkeitlichen Bescheides am 12. September
1846 die Bewilligung erhielt. Im Teuerungsjahre 1847 wurde also auf der vorgenannten
Strecke der „grossaupner Schneekoppensteig“ mit einem Kostenaufwande von 1000
fl. Erbaut. Mitlöhner ließ diesen Weg anlegen, weil er schon längst beabsichtigte,
auf dem Koppenplane eine Baude zu errichten, wohin er im Sommer seinen Viehstand
aus dem Thale zu treiben gedachte, um die Weiden auf dem Koppenplane auszunützen.
Später sollte daselbst auch ein Gasthaus entstehen, in welchem die Besucher
des Hochgebirges Unterkunft finden konnten und in welchem ein Pächter für die
erforderliche Verpflegung sorgen sollte. Zu damaliger Zeit waren nämlich auf
dem südöstlichen Teile des Hochgebirges die Gasthausverhältnisse noch sehr mangelhaft,
denn auf der Schneekoppe stand nur die Kapelle (das erste Gasthaus auf der Koppe
wurde erst im Jahre 1850 erbaut), in deren äußerst beschränkten Räumen Siebenhaar
die Gastwirtschaft ausübte. Da alljährlich zu den drei Koppenfesten, an Mariä
Heimsuchung (02. Juli), Mariä Himmelfahrt (15. August) und Mariä Geburt (08.
September [1] ) besonders
aus Böhmen eine große Menge Volkes auf die Schneekoppe wallfahrtete, reichten
diese Räume bei weitem nicht aus und waren nicht im Stande, bei plötzlich eintretender
ungünstiger Witterung den vielen Koppenbesuchern genügenden Schutz zu bieten.
Zudem waren diese Wallfahrer gewohnt, den Schluss der Feste mit Tanz und einem
guten Trunk zu feiern. Diesen Bedürfnissen sollte vorerst die neue Baude abhelfen.
Noch in demselben Jahre, in welchem der grossaupner Koppensteig fertiggestellt
worden war, also im Jahre 1847, erbaute Mitlöhner auf dem Koppenplane einen
Stall für sein auf dem Hochgebirge weidendes Vieh und verband mit diesem Gebäude
vorläufig eine Marketenderbude.
Laut des am 29. März 1847 in der Amtskanzlei zu Marschendorf aufgenommenen und
am 23. April desselben Jahres durch die Grafen Aichelburg senior und junior
auf Schloss Bělohrad bestätigten Vertrages erhielt Mitlöhner die Erlaubnis
zum "Aufbau einer sogenannten Sommerbaude von hölzernen Schrotwänden zur
Viehhaltung daselbst über Sommerszeit und zum Besten des Allgemeinen und besonders
der die Schneekoppe besuchenden, damit in deren Nähe eine Art Unterkunft und
Witterungsschutz, dann Milch, Schmetten, Butter und Käseerfrischungen zu haben
sei." An diese Bewilligung waren aber gewisse Bedingungen geknüpft, von
denen die, dass auf Wunsch der Herrschaft Marschendorf der derzeitige Besitzer
der Baude diese auf seine Kosten abtragen und ganz demolieren musste, die wichtigste
war. - Bald nach erhaltener Genehmigung begann Mitlöhner mit dem Bau der 1383
m über dem Meeresspiegel, am Fuße des Koppenkegels gelegenen Baude, welche aber
erst im folgenden Jahre (1848) dem Verkehr übergeben wurde und die ein für die
damaligen Zeitverhältnisse und die dortigen örtlichen Verhältnisse gar stattlicher
und geräumiger Bau war, der die bedeutende Bausumme von 4000 fl. erforderte.
Die Herstellung dieses Gebäudes ging deshalb nur langsam vonstatten, weil die
Herbeischaffung des Baumaterials ungemein beschwert war. Der Kalk und die gezimmerten
Balken wurden mit Pferden aus dem Riesengrunde zur Baustelle geschafft; die
Schindeln aber mussten auf dem Rücken, die Bretter hingegen auf dem Kopfe aus
St. Peter durch den Langengrund heraufgetragen werden. Zum Transport der Bretter
bedienten sich die Träger sogenannter Kopfhucken. Diese bestehen aus einem mit
Heu gepolsterten und mit Leinwand umschlungenen Ringe oder Reifen, der auf dem
Kopf gesetzt wurde und auf den man alsdann die zusammengebundenen Bretter legte.
Auch durch die Herstellung des grossaupner Koppensteiges und durch die Erbauung
eines auf dem Koppenplane so notwendigen Gasthauses wirkte Mitlöhner ganz im
Sinne des R.G.V.
Diese neue Sommerbaude, welche den Namen Riesenbaude erhielt, wurde der Gemeinde
Gross-Aupa III. Teil mit der Haus-Nummer 554 zugeteilt. Die Gastwirtschaft derselben
war anfangs verpachtet. Der erste Pächter, der Richter hieß, versah dieselbe
nur den ersten Sommer; der zweite Pächter, Namens Klöbel, aber blieb in der
Riesenbaude, bis dieselbe in anderen Besitz überging.
Inzwischen war der hochherzige und im Riesengebirge allverehrte Graf Berthold
Aichelburg in den alleinigen Besitz der Herrschaft Marschendorf gelangt. Derselbe
gewann die Überzeugung, dass die in dem Vertrage vom 29. März 1847 enthaltene
Bedingung, gemäß welcher nach dem Willen der Herrschaft die Riesenbaude niedergerissen
werden musste, dem Mitlöhner bezüglich des Eigentumsrechtes große Hindernisse
bereiten werde. Geleitet von dem ihm eigenen Edelsinn, hob Graf Berthold laut
Vertrag vom 10. Januar 1857 nicht nur diese harte Bestimmung unter Bedingung
pünktlicher Zahlung eines Grundzinses auf, sondern wies Mitlöhner noch 200 ٱKlaftern
Terrain bei der Riesenbaude zur beliebigen Verwendung zu und stellte ihm auch
einige Vergünstigungen, betreffend die Verpachtung der "Heuung" auf
dem Hochgebirge in Aussicht. Dieser Vertrag wurde vorläufig auf 6 Jahre und
zwar bis Ende Dezember 1862 mit dem Zusatz abgeschlossen, dass Kontrahenten
nach Ablauf dieser Frist den Vertrag in zeitgemäßer Form erneuern wollten, was
jedoch keinem dieser braven Männer vergönnt war, da beide 1862 bereits das Zeitliche
gesegnet hatten.
Im Jahre 1858 erwarb Friedrich Sommer, der nachmalige allbekannte Koppenwirt,
die Riesenbaude käuflich, welcher dieselbe von seinen zwei Schwägerinnen, den
Witwen Pohl und Kober, bewirtschaften ließ.
Im Jahre 1859 wurde Mitlöhner, der sich stets und selbst auch in seinem Greisenalter
einer bewunderungswerten geistigen Frische und körperlichen Rüstigkeit erfreute,
von einem herben Geschick heimgesucht, indem er dreimal in verschiedenen Zeitabständen
vom Schlage gerührt wurde. Der dritte Schlaganfall war so heftiger Natur, dass
er den Tod des Greises herbeiführte. So beschloss Stefan Mitlöhner am 15. August
1859 im Alter von 79 Jahren seine taten- und segensreiche irdische Laufbahn.
Seine irdische Hülle wurde auf dem Gottesacker zu Gross-Aupa bestattet.
Noch als hochbetagter Greis wollte der für Naturschönheiten begeisterte Mitlöhner
dem Riesengebirge einen Schmuck verschaffen. Er beabsichtigte nämlich, den Aupafall
im Aupakessel zu regulieren und mit Steinen zu fassen, zu welchem Behufe er
durch Steinmetzen aus Brückenberg Steinblöcke an Ort und Stelle bearbeiten ließ.
Durch seinen plötzlich erfolgten Tod gelangte dieses sein letztes und ideales
Projekt nicht mehr zur Vollendung. Die anwohnende Bevölkerung betrachtete die
schon fertig gestellten, behauenen Steine als herrenloses Gut und holte dieselben
als willkommenes Baumaterial hinweg.
Stefan Mitlöhner war, wie wir aus seinem vorstehend mitgeteilten Lebenslaufe
bereits ersehen haben, ein echter Biedermann, wahr und einfach, der keine kleinlichen
Rücksichten kannte, der ein Herz für seine Heimatsleute hatte, was er durch
Wort und Tat auch bestätigt hat. In ihm wohnte bei aller Güte des Herzens ein
strenger Sinn für Gerechtigkeit, und sein eifrigstes Bestreben war, reine, selbstlose
Humanität zu fördern. Gern tauschte er in Gesellschaft gebildeter Leute seine
Gedanken aus, und im Kreise heiterer‚ Menschen belustigte er sich oft und mit
Vorliebe durch seine harmlose, schalkhafte Laune und sein für alles Schöne und
Erhabene empfänglicher Geist ließ ihm die Naturschönheiten des heimatlichen
Gebirges, sowie die Liebe zur Musik zu Quellen lauterster Freunden werden.
Mitlöhners hinterlassene Witwe vermählte sich im Jahre 1860 mit Dr. med. August
Werner, welcher durch 39 Jahre in uneigenster Weise unter der armen Gebirgsbevölkerung
mit opferwilliger Berufstreue seines schweren Amtes waltete und sich in den
fünfziger Jahren als Badearzt von Johannisbad einer allgemeinen Beliebtheit
erfreute.
Die Riesenbaude hat besonders in den letzten zwanzig Jahren, in denen grade
auf dem Gebiete der Touristik gewaltige Umwälzungen vor sich gingen, manche
Veränderungen erfahren. Zur Zufriedenheit der Gebirgsbesucher und des Eigentümers
der Riesenbaude, des Koppenwirtes Sommers, walteten gemeinschaftlich die bereits
genannten Frauen Pohl und Kober jahrelang ihres Amtes als Wirtinnen und Pächterinnen,
bis im Juli des Jahres 1866 die allgemein beliebte Frau Pohl starb. Mit zahlreicher
Grabbegleitung, darunter viele Touristen, wurde die Verstorbene auf dem Brückenberger
Friedhofe der Kirche Wang beerdigt. Frau Kober war nun alleinige Pächterin der
Riesenbaude, bis sie letztere dann im Jahre 1877 von ihrem Schwager Sommer käuflich
erwarb. Als Eigentümerin führte sie die Gastwirtschaft in der Riesenbaude bis
zu Ende des Jahres 1879, denn am 01. Januar 1880 ging letztere durch Kauf an
den jetzigen Besitzer, Adolph Heyn, über, der nun die Bewirtschaftung der Baude
übernahm. Frau Kober aber blieb auch ferner noch in der Riesenbaude und zwar
bis zu ihrem Tode. Sie starb am 22. November 1884, konnte aber erst sechs Tage
später bei furchtbaren Schneesturm und grimmiger Kälte durch zehn der stärksten
Männer mit Lebensgefahr hinab nach Brückenberg gebracht werden, woselbst auch
sie auf dem Friedhofe der Kirche Wang bestattet wurde.
Unter dem jetzigen Besitzer ist die Riesenbaude fast gänzlich umgebaut worden.
Dem von Jahr zu Jahr sich steigernden Touristenverkehr genügten die vorhandenen
Räumlichkeiten nicht mehr, so dass sie wiederholt durch bauliche Veränderungen
vergrößert werden mussten. In diesem Frühjahre ist sie wiederum um ⅓ erweitert
worden, so dass die Baude jetzt die größte von allen Kammbauden sein dürfte.
So hat die Saat, welche Kaufmann Stefan Mitlöhner durch Erschließung des schönen
Thales der Grossen Aupa, durch Anlegung des Weges von der Bergschmiede bis auf
den Koppenplan und durch Erbauung der Riesenbaude in diesem wundervollen Gebirgsteile
ausgestreut hat, die herrlichsten Früchte getragen, und seine Schöpfungen, welche
dem Wandel der Zeit getrotzt und sich entsprechend den kulturellen Fortschritten
auch weiter entwickelt und vervollkommnet haben, verdienen wohl wieder in die
Erinnerung des heutigen Geschlechts gerufen zu werden.